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Kann ein System Maschinendaten automatisiert erheben und nutzbar machen?

Im Forschungsprojekt I4.0AutoServ der Universität Bielefeld soll eine 'One-Stop-Shop-Lösung' dabei unterstützen Maschinendaten automatisiert zu erheben, damit auch kleine und mittlere Unternehmen datengetriebene Services schnell und kostengünstig nutzen können.

Maschinendatenerfassung in Unternehmen – warum sie so wichtig ist

Maschinen generieren stetig Daten, zum Beispiel werden Temperaturen und Geschwindigkeiten gemessen. Diese Daten zu erheben, aufzubereiten und zu nutzen, wird für Unternehmen immer wichtiger, denn dadurch können sie Fehler erkennen und idealerweise vermeiden, Fertigungsprozesse verbessern, Transparenz und Effizienz der Lieferketten erhöhen und Kund*innen und Verbraucher*innen mehr Services bieten.

Das Problem: Vor allem kleinen und mittleren Unternehmen fehlt es dafür oft an technischem Fachwissen und passenden IT-Plattformen, die auf die einzelnen Maschinen oder Komponenten speziell zugeschnitten werden müssen. Die Nutzung dieser sogenannten datengetriebenen Services ist daher mit viel Aufwand und Kosten verbunden, die oft nicht im Verhältnis zum erwarteten Nutzen stehen.
 


I4.0AutoServ: Ein Ökosystem für den automatisierten Einsatz von datengetriebenen Services

Genau hier setzt I4.0AutoServ an: „Dank unseres Industrie 4.0-Ökosystems für den automatisierten Einsatz von datengetriebenen Services, kurz I4.0AutoServ, können Unternehmen Produkt-Service-Systeme schneller und kostengünstiger realisieren“, sagt Dr. Marc Hesse, Teamleiter Kognitronik an der Technischen Fakultät der Universität Bielefeld. „Das ist zum Beispiel für Komponentenhersteller, Maschinenbauer oder auch für fertigende Unternehmen interessant.“ 

Die innovative Projektidee entwickelte sich aus drei vorangegangenen it’s OWL Projekten – ML4Pro², TeDZ, iAP. „Bereits zu ihrer Laufzeit haben wir erkannt, dass sich die Projekte synergetisch ergänzen und wir konnten einen ersten gemeinsamen Demonstrator entwickeln“, so Hesse. Neben der Universität Bielefeld (AG Kognitronik & Sensorik), der Universität Paderborn (Lehrstuhl für Dynamik und Mechatronik) und dem  Fraunhofer IOSB-INA Institutsteil für industrielle Automation, sind drei Unternehmen am Projekt I4.0AutoServ beteiligt: Der Antriebs- und Automatisierungsanbieter Lenze, das auf elektrische Verbindungstechnik spezialisierte Unternehmen Weidmüller sowie Remmert – ein Spezialist für vollautomatische Lagertechnik, intelligente Logistiksoftware und wirtschaftliche Automationslösungen im Bereich Langgut und Blech.

Maschinendaten automatisiert erheben & wertstiftend nutzen – so funktioniert es

„Datengetriebene Services, die teils auf maschinellen Lernverfahren basieren, sind heutzutage sehr individuelle Lösungen, die mit hohem Aufwand für eine spezifische Produktionsanlage entwickelt werden. Diese Lösung kann oftmals nicht auf andere Anlagen angewendet werden“, erzählt Marc Hesse. „Komponenten einer Produktionsanlage, wie zum Beispiel Steuerungen, Antriebe oder Sensoren werden vom Hersteller zunehmend mit einem digitalen Zwilling ausgeliefert. Dieser stellt  neben Basisinformationen wie Hersteller, Typ, Baujahr auch Live-Daten zur Verfügung.“

 

Damit vor allem kleine und mittlere Unternehmen diese Maschinendaten in Zukunft effektiver für sich nutzen können, müssen viele Komponenten sehr detailliert betrachtet werden: „Unser Projekt I4.0AutoServ hat das Ziel, alle notwendigen Schritte zu automatisieren und sie zu einem Industrie 4.0-Ökosystem zusammenzuführen, das als skalierbares Gesamtpaket anwendbar wird – eine sogenannte “One-Stop-Shop-Lösung“, erklärt Hesse. „Ein Ökosystem beinhaltet alle erforderlichen Aspekte eines Systems und harmonisiert sie. In unserem Fall ist das Ziel die niederschwellige Anwendung datengetriebener Services in der Produktion.“


Daten und Dienste für Mensch und Maschine interpretierbar machen

„Unser Industrie-4.0-Ökosystem besteht aus Assets, also zum Beispiel Maschinen und Produkten, und deren interoperablen digitalen Zwillingen“ ergänzt Dr. Magnus Redeker vom Fraunhofer IOSB-INA. „Damit Daten und Dienste der Assets von Mensch und Maschine interpretiert werden können, werden sie in den zugehörigen digitalen Zwillingen semantisch angereichert. Ein Beispiel: Wenn bei der Temperatur der Wert 5 gemessen würde, müsste er semantisch um bspw. ›Grad Celsius‹ angereichert werden, damit er interpretiert werden kann. Ansonsten könnte der Wert auch für ›Fahrenheit‹ oder ›Kelvin‹ stehen. Eindeutigkeit erzeugt Interpretierbarkeit.“

 

"Stattet man die Services ebenso mit einem digitalen Zwilling aus und beschreibt dort normgerecht deren Anforderungen, können Fähigkeiten und Anforderungen automatisiert abgeglichen werden”, so Hesse. „Im Idealfall kann sich ein*e Produktionsverantwortliche*r dann per Klick anzeigen lassen, welche Services sie/er auf welche Komponenten anwenden kann. Das betrifft zum Beispiel die Anomalieerkennung oder die Ermittlung der Restlebensdauer. Per Klick werden die gewünschten Services dann ausgeführt und Ergebnisse angezeigt.“


Matching: In I4.0AutoServ finden Maschinen und datengetriebene Services automatisch zusammen

„Damit geeignete datenbasierte Mehrwertdienste – die sogenannten Value-Based-Services – aufgerufen werden können, werden alle Assets mit einer Verwaltungsschale zu Industrie 4.0-Komponenten erweitert“, erklärt Marc Hesse. „I4.0-Komponenten können sich in einem ganzheitlichen Ökosystem hochdynamisch und autonom vernetzen. Die semantisch angereicherte, maschineninterpretierbare Selbstbeschreibung der Verwaltungsschalen ermöglicht es, Datenflüsse automatisiert aufeinander abzustimmen und z.B. die Daten für das nachfolgende Trainieren maschineller Lernverfahren vorzubereiten. Nachfolgend können Services durch einen automatischen Abgleich zwischen ihren Anforderungen und den Fähigkeiten der einzelnen IT-Ebenen (Device, Edge, Cloud) in einem automatisierten Deployment über diese Ebenen verteilt, angewendet und gewartet werden.“

 

„Ganz simpel runtergebrochen funktioniert das Ganze wie eine automatisierte Vermittlung“, ergänzt Magnus Redeker. „I4.0AutoServ ermittelt Matches automatisch: Zwischen Hardware, wie zum Beispiel Maschinen, Anlagen und Rechenressourcen, und datengetriebenen Services, wie zum Beispiel Condition Monitoring. Dieses Matching basiert rein auf den digitalen Zwillingen der Assets im Ökosystem, die interoperabel beschreiben, welche Fähigkeiten die Assets besitzen, welche Daten sie zusichern und welche Daten sie benötigen. Dieses automatische Matching ist neu – ein Meilenstein, der die Anwendung von datengetriebenen Services massiv erleichtert und in manchen Fällen überhaupt erst ermöglicht.“


Projekt-Meilenstein: Präsentation des Demonstrators auf der Hannover Messe

Er ist klein, rund, blinkt grün und kann Werkstücke auf einem vorgegebenen Streckennetz autonom von einer Station zur nächsten bringen – der Mini-Roboter AMiRo. Mit ihm möchte das Projektteam auf der Hannover Messe im April 2024 präsentieren, wie das Industrie 4.0-Ökosystem funktioniert. „Wir simulieren den Fall eines Defektes am Rad per Klebeband“, erzählt Dennis Quirin, von der Technischen Fakultät der Universität, der ebenfalls als Experte am Projekt beteiligt ist. „Durch das automatische Erheben und Aufbereiten der Daten fährt der AMiRo selbstständig in die Wartung und ein neuer AMiRo wird bereitgestellt.“ Der Demonstratoraufbau zählt zu den weiteren Meilensteinen des Projektes: „Zu sehen, dass jetzt wirklich alles Hand in Hand geht, dass das eine Zahnrad ins andere greift, ist für mich besonders spannend.“


Positives Feedback der beteiligten Unternehmen

Beim Unternehmen Remmert in Löhne gibt es etwas ähnliches wie den AMiRo in groß: „Wir haben fahrerlose Transportfahrzeuge, mit denen schwere und sperrige Güter in Produktions- und Lagerumgebungen transportiert werden können“, erzählt Rafael Schroeder, der Softwareentwickler bei Remmert ist. „In Zukunft möchten wir Entwicklungen aus I4.0AutoServ für unsere fahrerlosen Transportfahrzeuge nutzen. Aber auch, um zum Beispiel Kunden einen Einblick in die “Gesundheit” ihrer Anlage zu ermöglichen.“
 

 

Auch der Automationsexperte Lenze und das Unternehmen Weidmüller aus Detmold, das auf elektrische Verbindungstechnik spezialisiert ist, erwarten sich vielfältige Benefits durch I4.0Autoserv. Dazu zählen tiefere Einblicke in Maschinen und Anlagen, sowie die Möglichkeit, datengetriebene Services für Produkte oder Produktionen eigenständig zu entwerfen und kontinuierlich weiterzuentwickeln.


Das Feedback zur Zusammenarbeit fällt bei den beteiligten Unternehmen durchweg positiv aus: „Wir haben bereits viele Förderprojekte zu unterschiedlichsten Themen mit den lokalen Universitäten und Hochschulen durchgeführt.“ sagt Dr. Markus Köster, Leiter der Standard- und Technologieentwicklung bei Weidmüller. „Gerade die räumliche Nähe der Industrie- und Forschungspartner fördert eine persönliche Zusammenarbeit, so dass Arbeitstreffen häufiger in Persona stattfinden und eine enge Zusammenarbeit ermöglicht wird.“


I4.0AutoServ: Große Chance für kleine und mittlere Unternehmen in OWL

„Zukünftig möchten wir die Ergebnisse des Projektes gezielt kleinen und mittleren Unternehmen in Ostwestfalen-Lippe zur Verfügung stellen“, so Marc Hesse von der Universität Bielefeld. „Dies könnte zum Beispiel als Open Source Lösung geschehen. Eventuelle Spezifikationen könnten dann im Unternehmen ausgespielt werden.“

„Letztendlich ist ein solches Industrie 4.0-Ökosystem für jede Branche und jedes Unternehmen interessant“, ergänzt Magnus Redeker vom Fraunhofer IOSB-INA. Denn die Interoperabilität von Daten und Diensten ermögliche eine aufwandsarme Umsetzung von Anwendungsfällen über den gesamten Lebenszyklus eines Assets. „Schauen wir uns das zum Beispiel anhand eines Produktes an: In der Entwicklungsphase lassen sich Anforderungen aus Normen automatisch in die Produktentwicklung integrieren. Während der Nutzung des Produktes können Mehrwertdienste mit I4.0AutoServ automatisch angewendet werden und bspw. die Produktnutzungsphase verlängern. Und zum Ende, also in der Recyclingphase, können verbaute Komponenten gezielt in neu entstehende Produkte integriert werden.“

Die Aufgabe der Forscher*innen ist es nun, an den Feinheiten zu feilen: „Dazu zählt zum Beispiel, dass wir die Fähigkeiten und Anforderungen von Value-Based-Services und Shopfloor-Assets für eine Skalierung zwar möglichst übergreifend beschreiben müssen, aber gleichzeitig spezifisch genug, um das Matching der Assets durchzuführen“, so Hesse.
 


Über das Projekt

Das it‘s OWL-Innovationsprojekt I4.0AutoServ wird mit einem Fördervolumen von 1,18 Millionen Euro vom Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW (MWIKE) gefördert. Die Projektidee entwickelte sich aus drei vorangegangenen it’s OWL Projekten – ML4Pro², TeDZ, iAP.

Neben der Universität Bielefeld (AG Kognitronik & Sensorik), der Universität Paderborn (Lehrstuhl für Dynamik und Mechatronik) und dem Fraunhofer IOSB-INA Institutsteil für industrielle Automation, sind drei Unternehmen am Projekt I4.0AutoServ beteiligt: der Antriebs- und Automatisierungsanbieter Lenze, der Spezialist für industrielle Verbindungstechnik, Automatisierung und Digitalisierung Weidmüller sowie Remmert – ein Spezialist für vollautomatische Lagertechnik, intelligente Logistiksoftware und wirtschaftliche Automationslösungen im Bereich Langgut und Blech.

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